Schlagwort-Archive: transhumanismus

Erschreckend – Die Fachwelt ist ratlos! (Newsflash 005)

(Dieser Satire-Text steht in Verbindung mit der Geschichte Zurück in die Evolution und dem Artikel Gedanken über die menschliche Evolution.

Immer mehr Menschen verlieren sich in die Welt des Cloud-Computing. Darüber sprachen wir mit Doktor Update, Leiter des WPH (Was-passiert-hier) Institutes. Von ihm erfuhren wir, dass die Menschen neuerdings bei der Pflichterfüllung ihrer Aufgaben dermaßen unter Druck stehen, dass ein entspanntes und ruhiges Leben gar nicht mehr möglich ist. Die Hauptursache für diese missliche Lage liegt in erster Linie an den täglich neuerscheinenden Apps, sowie den ganzen Geräten, die bei ihren Tätigkeiten dem Menschen das Leben zu erleichtern, diesem im Gegenzug immer mehr abverlangen.

Zudem kristallisiert sich ein weiteres Phänomen aus der Gesellschaft heraus, ein, wie es der Doktor nennt, Kommentierzwang. Es geht mittlerweile schon so weit, dass unter Straßenplakaten Kommentare hinterlassen werden. Auch die Panik davor, etwas zu verpassen, zum Beispiel ein Video, ist vermehrt zu beobachten. Es herrscht Angst, aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden, wenn man bei einem Thema nicht mitreden kann. Der Drang danach, alles durch Teilen zu verbreiten, ist in den letzten Jahren um ein Hundertfaches angestiegen.

Kritisch sieht Update es mit den Gerätschaften, die immer mehr das Sagen haben. Beispielsweise bestimmt ein Kühlschrank, was gegessen werden soll und was nicht. Erklärt der Doktor, während er auf dem Display seines Smartphones emphatisch rumwischt und dann einen „Daumen hoch“ unter dem Hunde-Video vergibt. Nebenbei berichtet er, dass sich die Wissenschaft diese Entwicklung nicht erklären kann. Auch über den Zeitpunkt, wann das alles begonnen hat, tappen sie im Dunkeln.

Da gab das Smartphon des Doktors eine Melodie von sich und dieser tippte sogleich aufgeregt auf dem Touchscreen herum und meinte im Anschluss, dass er das Gespräch unterbrechen müsse, da sein Küchenroboter sich gemeldet habe. Auf die Nachfrage, was dieser denn wollte, erwiderte Update, dass das Essen gleich fertig sei. Zudem benötigte der Kühlschrank noch Milch. »Milch«, murmelte der Doktor, »trinke ich schon seit Jahren nicht mehr, aber der Kühlschrank hat das noch nicht verstanden. Ich habe schon alles versucht, aber das mit der Kühlschranksoftware funktioniert irgendwie nicht. So kaufe ich halt eine Packung pro Woche und kippe diese dann im Austausch weg. Auf diese Weise gibt der Kühlschrank wenigstens Ruhe und jagt mich nicht mehr nachts aus dem Haus um Milch zu besorgen. Das Dumme dabei ist nur, dass ich zurzeit keine Milch und auch nichts anderes mehr kaufen kann, da mein Bankkonto verschwunden ist.«

Wir fragten nach dem Grund, doch diesen konnte er uns nicht nennen. Er habe schon auf verschiedenste Art versucht, es wiederherzustellen, doch vergebens. Niemand reagiert auf seine Mails und eine Hotline gibt es schon lange nicht mehr. Die Anweisungen, die er in der App Schritt für Schritt abgearbeitet hat, führen ihn nur im Kreis herum.

»Naja, und langsam wird der Kühlschrank echt aggressiv, da er keine Milch mehr bekommt und nun droht er zu allem Überfluss mit Komplettverriegelung.«

Wir verabschiedeten uns vom Professor und mussten ein wenig über den Spruch schmunzeln, welchen wir gerade auf dem Smartphone lasen und diesen sogleich mit einem Grinse-Emoji belohnten.

Diese Texte als PDF-Datei zum Lesen, Speichern und Weitergeben

Satire-Texte-Auswahl

Zurück in die Evolution

(Diese Geschichte basiert auf dem Artikel Die menschliche Evolution und dem Satire-Text Erschreckend – Die Fachwelt ist Ratlos!)

Es begab sich zu jener Zeit im Raum, als die Gesellschaft ausschließlich auf Arbeit, Konsum und Social Media aufgebaut war. Momente, die der Einzelne mit der Familie verbringen konnte, waren außerhalb des Netzwerkes wenig bis kaum vorhanden. Dieser Zustand belastete die Gesellschaft sehr und so widmeten sich einige Wissenschaftler voll und ganz der Aufgabe, diese Lebensweise zum Besseren zu wandeln. Die Politik fand Gefallen an der Idee und setzte dieses Thema ganz oben auf ihre Agenda.

Es wurde von einer freien, einfacheren und bequemeren Welt gesprochen, in der die alltäglichen Sorgen der Vergangenheit angehörten. Ein vollendetes Glück des Lebens wurde angestrebt. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte man sich ganz auf die Macht der Gedanken konzentriert, da durch sie alles möglich zu sein schien. Aus dieser Tatsache heraus wurde die These aufgestellt, dass es nur in einer Welt, die sich komplett aus reinen Gedankenströmen zusammensetzt, möglich sei, das wahre Glück zu erleben. Die Chancen des Einzelnen, sich frei zu entfalten, um das Leben zu führen, was ihm vorschwebt, seien grenzenlos. Ein Professor arbeitete gemeinsam mit seinem Team seit Jahren daran, diese Idee zu realisieren. Doch dann kam es anders.

An einem Tag im Februar erlangte der Professor eine Erkenntnis, die die gesamte Forschung und ihre komplette Vorgehensweise verändern sollte. An jenem Tag ging der Professor früher nach Hause. Er hatte das dringende Bedürfnis, mit seiner Frau über diese Entdeckung persönlich zu sprechen. Schon in so manchen verzweifelten Situationen stand sie ihm mit einer hilfreichen Eingebung zur Seite.

Nachdem der Professor seinen Mantel ausgezogen hatte und ihn an die Garderobe hängte, nahm er sanft die Hand seiner Frau und ging mit ihr in den Wintergarten, wo sie sich in den Korbsessel setzte. Er selbst blieb stehen und schaute stumm durch die große Fensterfront hinaus in den Garten. Er beobachtete das Eichhörnchen, welches über den grünen Rasen hüpfte und setzte dabei seine Gedanken in eine erzählbare Reihenfolge. Nach etwa einer Minute drehte er sich um und schaute seiner Frau sorgenvoll in die Augen. Er begann die ersten Worte zu formen, doch kam sogleich ins Stocken. Er atmete tief durch und erklärte, dass man bei der Suche nach einem sorglosen Leben eine erschreckende Erkenntnis gewonnen habe. Eine Erkenntnis, wegen der man die gesamte Menschheitsgeschichte umschreiben müsste.

Mit angehaltenem Atem lauschte die Frau den detaillierten Ausführungen ihres Mannes. Dieser behauptete mit ernster Miene und leicht zittriger Stimme, dass das Leben, so wie sie es kennen, in Wirklichkeit gar nicht existieren würde. Es gäbe nichts, alles sei nur durch programmierte Eingebungen vorhanden. Das, an dem er und seine Mitarbeiter schon so lange gearbeitet hatten, gab es bereits, sie lebten in ihr, in einer künstlichen Welt, in der Cloud. Erhoffte man sich doch von ihr ein einfaches und bequemes Leben, nur leider schien nichts so wie es der Traum von einer Welt aus Gedanken versprach. Diese Tatsache, dass die Gesellschaft bereits in einer Cloud lebte, machte all die Bemühungen zunichte und ihre These stellte sich als völlig falsch heraus.

Die Frau senkte den Kopf, schaute an sich herunter, hob die Arme und verfolgte die Bewegungen mit den Augen. Sie stellte die Frage, ob das alles wirklich nicht echt sei, was sie hier sieht, in den Wintergarten hinein. Ihr Mann nickte stumm und sie murmelte, wie es denn sein könne, dass sie, wenn sie keinen realen Körper besitzt, Arthroseschmerzen, in den Knien verspüre? All das seien künstlich einprogrammierte Empfindungen, erklärte der Professor.

Nachdem die Frau ihren ersten Schock überwunden hatte, merkte sie voller Zuversicht an, dass es vielleicht doch eher eine positive, als eine negative Erkenntnis sei, denn er habe doch nur durch seine Forschung diese Feststellung gemacht und nun müsse er eben nach einem anderen Weg zum vollendeten Glück des Lebens suchen. Vielleicht liegt die wirkliche Freiheit in einem organischen biomechanischen Körper? So einen, von dem man immer dachte, dass ein Mensch diesen besitzen würde. Es müsse eine Möglichkeit gefunden werden, die eigenen Gedanken und Empfindungen aus der Cloud herauszuleiten, in einen Körper aus echter Materie. Es müsste alles aus der Cloud in eine reale Umgebung gedownloaded werden.

Die Frau erhob sich aus dem Sessel und ging zu ihrem Mann. Sie schaute sich erneut ihre Arme und Hände an, dann beobachtete sie ihren Gatten, wie dieser bereits wieder nach draußen blickte. Sie stellte sich neben ihn, nahm seine Hand und ohne weitere Worte zu wechseln, standen sie wie versteinert da, als seien sie abgestellt worden wie Roboter. Es wurde dunkel.

Dieser Text als PDF-Datei zum Lesen, Speichern und Weitergeben

Geschichtenauswahl