Archiv der Kategorie: Bewertung, Mitläufer, Einheitsbrei

Gedanken über Einheitsbrei

Ist man zum selbständigen Denken in der Lage oder nimmt man einfach alles, was man hört und sieht ungeprüft an? Ist man zum eigenständigen Leben in der Lage, wenn um einen herum alle sagen wie man zu leben hat? „Du musst dieses und jenes machen oder dieses und jenes essen bzw. das darfst du auf gar keinen Fall essen, denn nur so und nicht anders ist es richtig und gesund.“

Der allgegenwärtige Einheitsbrei ist eine Epidemie, die ausbricht und über einen herfällt. Sicherlich, um sich zu entwickeln muss man lernen, und dieses geschieht nur durch zuhören und abgucken von anderen. Anfangs greift man sogar (zumeist ungewollt) zu der Methode des Imitierens und Kopierens. Doch im Laufe der Zeit sollte man in der Lage sein, mit offenen Augen und klaren Gedanken die Dinge neu zu durchleuchten. Man sollte sich entscheiden, ob man lieber einen hoch angepriesenen, vermeintlich schmackhaften Brei verzehren möchte oder ob man nicht doch lieber einen Blick in die Speisekarte werfen will, die noch so viel anderes zu bieten hat.

Individuell will jeder sein, doch irgendwie sind letztendlich die meisten gefangen im Einheitsbrei der Massen, da es so schön einfach ist, sich nach den Anderen zu richten, den „Erfolgreichen“, um auf deren Schienen mitzufahren. Das Erfolgreiche wird kopiert, anstatt sich von ihm zu lösen. So sehen beispielsweise viele Buchcover gleich aus. Auch die Titel werden den erfolgreichen Büchern (zumeist erfolgreich gemachten Büchern) angepasst. Die Titelseiten von Zeitschriften und Magazinen sehen sich zum Verwechseln ähnlich.

Jedes Thema hat seinen eigenen Brei, aber auch die dazugehörende Speisekarte. Angefangen bei den optischen Erscheinungen wie Mode, Tattoos und Piercings, den „Zwang“ der Körperhaarentfernung mit dem gegenteiligen männlichen Gesichtsbewuchs, um ein aktuelles Beispiel aufzugreifen. Und nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich, also im Kopf existiert ein Einheitsbrei und wenn man nicht aufpasst, löst dieser eine einseitige Sicht der Dinge aus, die zu einseitigen Taten führen.

Um diesem nun zu entkommen, sollte trotz aller Gefahren erst einmal alles aufgenommen werden, also von dem Brei gekostet werden – sich inspirieren lassen – um diesen letztendlich neu zu arrangieren. Man muss nicht krampfhaft das Gegenteil von dem machen, was der vorgesetzte Brei hergibt. Es ist ebenso wenig nötig, alles erst einmal pauschal abzulehnen und mit einer entgegengesetzten Meinung aufzuwarten. Es bedarf meist nur einer leichten Abweichung, eine Änderung der Rezeptur. Denn die Entstehung des Einzigartigen kann nur aus dem Brei heraus geschehen, indem man sich daran bedient und diesen ändert. Etwas so zu machen wie man es von innen her spürt und nicht anders. So kann der Einheitsbrei durchbrochen werden und ein neuer beginnt zu köcheln.

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Gedanken über Mitläufer

Ohne Mitläufer hätte kein Mensch Macht über andere, es gäbe keine Unterdrückung, keine Diktatoren und auch keine Trends (etwas wo alle mitmachen bzw. etwas, das alle haben wollen). Denn was sollte ein einzelner ausrichten können, wenn ihm keiner folgt? Ein Trend lebt nur von den Mitläufern, die einem Trend hinterherhetzen, der durch die „Trendsetter“ gestartet wird. Das sind zumeist Leute, die aus den verschiedensten Gründen von anderen bewundert werden. Diese Meinungsmacher sind oftmals irgendwelche „Promis“ oder andere Leute zu denen ein Mitläufer aufschaut. Er möchte so sein wie dieser „Star“, ein so „tolles“ Leben führen wie er. Und wenn er zum Beispiel das gleiche Buch liest wie sein „Idol“, fühlt er sich sofort mit diesem verbunden. Das wissen natürlich auch die Unternehmen und so wird alles Erdenkliche getan, um diese Personen, die gerade im Rampenlicht stehen, für ihre Zwecke einzusetzen, denn was diese „Stars“ tragen, essen und trinken, das wollen ihre Anhänger natürlich auch haben.

Doch sind diese „Helden“ es wirklich wert, dass man zu ihnen aufschaut … muss man ihnen hinterherlaufen? Vorbilder zu haben ist ja an sich nichts Schlechtes, sie können einem sogar helfen und im Leben weiterbringen, sie können einem als Inspirationsquelle dienen. Aber sollte man ihnen uneingeschränkt nachlaufen … also zum Mitläufer mutieren?

Was bringt Mitläufertum? Sicher, das Zugehörigkeitsgefühl, welches für viele Menschen anscheinend lebensnotwendig ist, wird gefördert. Alle finden dieses Buch toll und sprechen darüber, also will ich es auch haben … dann kann ich mitreden. Ich muss es ja nicht sofort lesen, ich habe ja schon genug andere Meinungen darüber gehört, aus diesen suche ich mir dann die für mich passsenden raus.

Durch Bewertungen werden die Mitläufer rekrutiert, ein Trend entsteht. Dieser ist zumeist eine neue Auffassung von etwas, eine neue Bewegung, eine neue Richtung, die für die Gesellschaft, die Wirtschaft oder Technologie maßgebend sein wird. Dabei ist dieses zeitlich vollkommen frei, denn ein Trend kann von einer Woche bis zu Jahren anhalten, je nachdem wie man diesen weiter nährt. Bei Büchern und Filmen geschieht dies zumeist in Fortsetzungen, am liebsten reichlich verbunden mit Merchandising/Fan-Artikel.

Dabei ist ein Trend, wie so vieles, wenn man es nüchtern betrachtet, eine Sache des Geschmacks, eine Meinung bzw. eine Sicht der Dinge von Einzelnen, die schließlich ihr Gefolge bekommt. Also Personen, die einfach mit dabei sein wollen. Dazuzugehören, nicht als Außenstehender/Außenseiter zu gelten, das ist die Motivation des Mitläufers. Mitläufer schwimmen auf einer Welle mit, ohne genau zu wissen, wo die Wellen herkommen und wo sie einen hintreiben.

„Dieses oder jenes machen doch alle“, wird dann gesagt, oder: „das machen doch alle so. Das gehört doch dazu“ … Oder aussagen wie: „Ich will jetzt vegan leben, das machen ja im Moment so viele. Muss denn ja eine tolle Sache sein.“ Mit solchen Aussagen outet man sich als vollwertiges Mitglied im Mitläuferclub. Wenn es aber heißt bzw. man stellt sich die Frage: „Wieso leben eigentlich schon so viele vegan? Da muss ich mir mal ein paar Quellen raussuchen und schauen, worum es da genau geht und wieso es gemacht wird. Dann kann ich ja entscheiden, ob es etwas für mich ist oder nicht“, so hat diese Vorgehensweise nichts mit Mitläufertum gemeinsam.

Mitläufer sind Personen, die an einer Gruppierung, Bewegung oder Strömung teilnehmen, ohne sich wirklich für das Thema zu engagieren. Sie lassen alles passiv geschehen, machen mit, ohne dabei für ihr Verhalten Rechenschaft abzulegen oder Verantwortung zu übernehmen. Und wenn etwas schiefgeht, können sie dann immer noch sagen: „Was kann ich dafür? … Das waren doch in Wirklichkeit die Anderen, ich habe damit ja eigentlich nichts zu tun.“

Es reicht für den Mitläufer, wenn er sagen kann: „Ja sicher, … ich bin dabei und warum du noch nicht?“ Und dieses Mitläufertum ist in manchen Dingen sehr gefährlich. Wenn es zum Beispiel um eine politische oder religiöse Richtung geht, die ins Extreme fällt. Gerade solche Gruppierungen leben nur durch ihre Mitläufer, die die Parolen grölen, um der Welt zu zeigen, dass sie dazugehören, allerdings ohne genau darüber Bescheid zu wissen, was ihr Verhalten für Auswirkungen haben könnte.

Ein Personenkult entsteht genauso durch die Mitläufer. „Dieser Autor ist sehr nett, ich habe ihn in einer Talkshow gesehen. Sein Buch werde ich kaufen, das ist bestimmt toll“. Ebenso ist es mit Sportvereinen und Wettkämpfen, alle reden drüber und gehen hin. „Na gut, gehe ich auch mal mit oder schaue mir die Liveübertragung an, dann kann ich morgen bei der Arbeit wenigstens mitreden“.

Dabei wird oft nur das wiedergegeben was gehört wurde, ohne es zu prüfen. Es wird nachgeplappert was andere sagen, ohne Hintergrundwissen. So entstehen zum Beispiel viele Kritiken, ohne dass der Kritiker sich jemals mit dem Werk wirklich beschäftigt hat. Da er ja genug darüber durch die Meinung der anderen erfahren hat und nun seine Meinung selbstverständlich äußern kann … sein vermeintliches Fachwissen preisgeben.

Mitläufer sind dressierte Äffchen, sie sind beeinflussbar und springen immer sofort auf alles an. Mitläufer lassen sich leicht leiten, von Schlagzeilen manipulieren und sind leichtgläubig. Wenn es heißt: „Salz ist tödlich“, wird es sofort vom Speiseplan verbannt, ohne zu prüfen, wer hinter dieser Aussage steckt. Sie klicken auch sofort auf den link in der Email mit dem versteckten Datenvirus, wenn es heißt: „Sie haben eine Million Euro gewonnen! Herzlichen Glückwunsch“.

Sicher, Trends haben auch ihre Berechtigung, denn man soll ja auch nicht einfach alles ablehnen, nur weil es im Moment „trendy“ oder neu ist. Doch die Beweggründe, warum man ein populäres Buch ebenfalls gut findet, sollten dann aus einem selber herauskommen und nicht durch andere, die es einem sagen. Dabei bilden sich meist zwei Parteien, wovon die eine sagt gutes Buch, die andere meint es sei ein schlechtes. So hält der Konflikt zwischen den Parteien die Diskussion am Laufen und es bleibt im Gespräch, um sich neue Anhänger zu suchen, die sich letztendlich für eine Seite entscheiden, egal für welche, Hauptsache dabei.

Wer jetzt empört über diesen Artikel ist und sich dementsprechend angegriffen fühlt, der scheint leider eines dieser dressierten Äffchen zu sein. Wer diesen Artikel liest ohne sich angesprochen oder beleidigt zu fühlen, der hat Glück und gehört nicht zu diesen Äffchen, sondern ist ein Liebhaber der Sache … und kein Mitläufer.

Fazit: Einem Trend zu folgen, ist eine Sache, die aus einem selber kommen muss. Man folgt ihm, aber es sollte nicht in einer Hysterie enden. Ein eindeutiges Zeichen, das man kein Mitläufer ist, ist, wenn man etwas immer noch gut findet, obwohl der „Trend“ schon längst verflogen ist und man nicht schon dem nächsten Hype hinterherstürzt.

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Gedanken über Bewertung

Bewertungen scheinen immer wichtiger zu werden, so wichtig, dass es schon in einen regelrechten Bewertungswahn ausgeufert ist. Alles und jeder muss bewertet werden, wobei man nicht einmal vor sich selber Halt macht. Jedes Werk, sei es ein Film, ein Bild, ein Haus, Landschaften, Mensch und Tiere … die Brotmaschine … was auch immer. Selbst der Tod, worüber man eigentlich gar nichts weiß, wird trotzdem durch eine Bewertung in gut und schlecht bzw. Himmel und Hölle eingeteilt.

Dinge scheinen durch ihre Bewertung einen Wert zu erhalten. Je besser ein Produkt in der Bewertung liegt, umso höher steigt sein Wert indem es sich dadurch gut verkaufen lässt. Bei Kunstgegenständen ist es nichts anderes und genauso verhält es sich beispielsweise auch mit dem Wert des Goldes, der durch eine Bewertung erfunden wurde.

Im Internet gibt es fast nichts mehr, wo man nicht ein Kommentar, also seine Bewertung/Meinung hinterlassen könnte. So stellt sich gleich die erste Frage: Was nützen Bewertungen? Sind Bewertungen bzw. Rezensionen über ein Buch für einen selbst überhaupt hilfreich, wenn man dabei ist, sich für ein Buch zu entscheiden? Sollten Meinungen von anderen mit in die eigenen Überlegungen einfließen? Auch wenn der Begutachter „vom Fach“ ist und vermeintlich einen literarischen Text neutral analysiert, so schwingen doch meistens viele Faktoren mit, die den Geschmack und den Gemütszustand desjenigen betreffen. Woher weiß man, dass der Schreiber der Kritik das gleiche empfindet und das gleiche in dem Text sieht wie man selbst? Gerade bei Leuten, die man nicht kennt, ist das sehr schwierig.

Ist ein Buch schlecht, weil 95% das meinen? Und bedeutet das automatisch, dass man es dann ebenfalls schlecht findet? Und von den 95%, wie viele sprechen aus eigener Erfahrung, also haben das Buch wirklich gelesen? Oder hat sich vielleicht doch die Mehrzahl beeinflussen lassen und redet nur das nach, was andere (meist jemand dem man nacheifert oder für gut befindet) ihnen vorgeben? Oder wird ein Buch sogar gleich im Vorfelde abgewertet, nur weil man gegenüber dem Autor Vorurteile hegt?

Gibt es also nur gute und schlechte Bücher? Nein, die gibt es nicht, denn Bücher sind weder schlecht noch gut, können sie gar nicht, wie sollten sie auch? Die Bücher an sich haben damit nichts zu tun. Nicht einmal der Autor hat Einfluss darauf. Es sind die Meinungsmacher die den Wert festlegen – das glauben sie zumindest.

Denn wie kann es sonst angehen, dass einige Bücher „polarisieren“, also ein Teil der Kritiken positiv und der andere Teil negativ ausfällt, wenn doch jeder meint, er habe mit seiner Meinung recht und diese sei doch schließlich allgemein gültig? Es wird daran liegen, weil eben jeder etwas anderes aus einem Text liest und seine eigenen Erfahrungen sowie Gefühle mit einbezieht (zumindest ein Teil der Leser, die anderen suchen sich wieder einen aus, dessen Worte sie wiederholen – es haben sich zwei Parteien gebildet).

Wenn sich ein Leser mit einer Figur identifizieren kann, wird dieser mitfiebern und dem Buch (sofern auch noch die anderen Dinge für ihn stimmig sind) sicher eine positive Kritik/Bewertung abgeben. Wer so gar nichts mit den Figuren oder dem Inhalt anfangen kann, wird dem Buch sicher nichts Gutes abgewinnen können.

Aber es ist nicht der Inhalt alleine, der zählt … auch die Verpackung ist von Wichtigkeit. Oft wird anhand der Verpackung, also in diesem Fall das Coverbild, auf die Qualität des Buches geschlossen und so findet bereits im Vorfelde eine Bewertung statt. Steht man zum Beispiel vor zwei Krimis und liest sich die Klappentexte durch, wobei man feststellt, dass sich beide für einen interessant anhören, hat man ein Problem, wenn man sich für eines entscheiden muss. Was wird dann mit in die Entscheidung eingebunden? Ob bewusst oder unbewusst, es wird das Cover sein. So passiert es auch im Internet, wenn man sich durch mehrere hintereinander gepostete Bücher durchscrollt, wird man immer bei dem Buch anhalten, dessen Cover einen am ehesten anspricht. So gesehen kauft man in erster Linie die Verpackung (spielt in der Lebensmittel- und Kosmetikbranche eine sehr große Rolle).

Wie sieht es nun mit dem Inhalt aus? Enthält ein Roman zum Beispiel viele wissenschaftliche Abhandlungen, so finden das meist die genial, die sich in der Materie auskennen. Sie sind schließlich Insider und sind somit direkt am Thema, können mit ihrem Wissen dem Autoren gegenüber im Geheimen prahlen und wenn vermeintliche Fehler gefunden werden (das stimmt jetzt aber so nicht, was der da schreibt, so ist es ja gar nicht), bietet das eine wunderbare Gelegenheit, sich über den Autoren zu stellen, da man ihn ja entlarvt hat, dass er doch nicht so genial sei oder eben er, der Autor, habe schlecht recherchiert (das ist ja alles Blödsinn was der schreibt). Dieser Leser hat nicht verstanden, was es bedeutet, einen Roman zu schreiben und kein Sachbuch (wobei, auch bei einem solchen gibt es immer wieder Leute, die etwas zu beanstanden haben, was ihrer Meinung nach nicht richtig sei). Demgegenüber stehen diejenigen, die mit der Materie nicht vertraut sind. Diese Gruppe findet es vielleicht nur langweilig, da es nicht ihr Interessengebiet ist oder das Gegenteil geschieht … das Interesse am Thema wird geweckt.

Gute, fachliche (das heißt jemand ist mit der Materie vertraut, über die er seine Bewertung abgibt) Kritiken sollten emotionslos geschehen. Wenn jemand zum Beispiel einen Text „wissenschaftlich“ auseinandernimmt und ihn anhand der wissenschaftlich vorgegebenen Kriterien beurteilt und diese Bewertung fällt dann unter diesen Gesichtspunkten negativ aus, ist es natürlich trotzdem möglich, dass man selber diesen Text als gut und interessant empfindet und man kann die negative Kritik gar nicht nachvollziehen.

Zudem kommt es häufiger vor als man denkt, dass bereits vor der Premiere eines neuen Theaterstückes die Kritik geschrieben wurde, damit diese danach schnell veröffentlicht werden konnte. Es gibt auch Fälle, wo z.B. bei einer Show Darbietungen in einer Kritik gelobt wurden, die an dem Abend, als der Kritiker anwesend sein sollte, gar nicht stattgefunden hat, weil der Akteur krank war. Wie kann das geschehen? Vielleicht hatte der Kritiker das Programmheft und ist in der Pause gegangen … wer weiß?

Wie schon erwähnt, sind also viele Faktoren an der Entstehung einer Kritik beteiligt und ebenso an der Art, wie sie aufgebaut ist. Der Emotionszustand, die eigenen Lebensumstände, das Wissen zum Thema, Erfahrungen im Kritikschreiben und das Vergleichen mit ähnlichen Werken spielen eine große Rolle wie das Endergebnis ausfällt. Wie kann es sonst sein, dass man selber ein Buch gut fand und Jahre später kann man gar nicht mehr verstehen, was einen einst daran so gefesselt hat. Der umgekehrte Fall ist natürlich auch möglich.

Bei der Bewertung von Filmen, was die Altersfreigabe anbelangt, ist dieses auch immer abhängig von der Zeit und den Leuten, die diese Aufgabe erfüllen. Filme, die früher ab 18 Jahre waren (oder gar „verboten“) sind heute – fünfundzwanzig Jahre später – ab 16 (die gleiche Version, ohne dass Szenen rausgenommen wurden). Die Zeit hat sich eben geändert und mit ihr die Empfindungen der Leute, die die Entscheidung treffen.

Selbst wenn jemand in dem was er macht gut ist, so gut, dass andere vielleicht sogar neidisch sind (Neid wird oft in niedermachender Kritik geäußert), dann darf sich der Gute erst recht nichts erlauben. Denn dieser steht von nun an unter schärfster Beobachtung. Lässt sich z.B. ein „guter“ Schauspieler etwas zu Schulden kommen, dann wird er nicht nur für die Tat getadelt, sondern sein ganzes vorheriges schauspielerisches Schaffen wird in Frage gestellt, ein Urteil gefällt … er wird neu bewertet.

Ein Urteil ist eine Ansicht, Auffassung, Begutachtung, Beurteilung, Meinung, Position, Standpunkt, Überzeugung … Man bildet sich ein Urteil über jemanden oder etwas. Ein Urteil kann man eigentlich nur fällen, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt hat (was oftmals nicht der Fall ist). Wenn man dann das auf vermeintlich Gleiches überträgt, kommt es zum Vorurteil (Bewertung, ohne sich der neuen Sache angenommen zu haben). Dabei kann ein Vorurteil in die positive oder negative Richtung gehen.

Eine weitere Auffälligkeit ist, dass anscheinend Kritik, zumeist im Internet, mit Beschimpfungen und Beleidigungen verwechselt bzw. gleichgesetzt wird. So endet manche gutgemeinte Kritik, die in einem Internetkommentar verfasst wurde, durch die Gegenkommentare (an die sich weitere Personen beteiligen) nicht allzu selten in einem Bad von hasserfüllten Beleidigungen, die hin und her gehen und zumeist gar nichts mehr mit dem eigentlichen Thema zu tun haben.

Was und wem nützen denn nun eigentlich Bewertungen? Sie können vielleicht als kleine Orientierungshilfe dienen, aber mehr nicht. Sie können mit Roulette verglichen werden, wo man beginnt, sich Chancen zu errechnen, was auch eine Art von Bewertung ist. Man bewertet das Vorangegangene, um daraus Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Drei Mal kam rot, dann muss jetzt aber schwarz kommen. Muss? Nein, es kann noch viele Male rot kommen, bevor die Kugel auf einer schwarzen Zahl landet. Sicher, die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass 2x Zero hintereinanderkommt, aber es passiert, auch 11x rot ist schon vorgekommen. Fakt ist, jedes Mal wird das Rad neu gedreht und die Kugel angestoßen. Jedes Mal ist es dieselbe Chance wie vorher 50/50, 1 zu 3 oder eben 1 zu 37, egal was vorher war.

„Früher war alles besser“ – Die Bewertung der Zeit – Das schöne ist, dass es bald wieder heißen wird: „Früher war alles besser“, bedeutet: Heute ist alles gut.

Fazit: Alles und jeder muss sich gewollt oder ungewollt eine Bewertung gefallen lassen. Und ist nicht auch dieser Text eine Bewertung für die Bewertung? Bewertungen sind für den Einzelnen nichtssagend. Bewertungen manipulieren die eigenen Erfahrungen und verhindern unglaubliche Entdeckungen. Verhindern, dass man sich einer Sache unvoreingenommen nähern kann. Wenn Kritiken als Orientierungshilfe herangezogen werden, dann sollten diese ebenfalls genau analysiert und bewertet werden, um herausfinden, wie der Kritiker zur bewerteten Sache steht und wie dessen Meinung entstanden ist. Gut oder schlecht, wer mag das letztendlich zu bestimmen … Trotz allem freut man sich natürlich über jede Art von positiver und konstruktiver Kritik.

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